Behandlung

Die MS ist nicht heilbar – aber behandelbar. Dem Neurologen steht dafür ein 3-stufiges Therapiemodell zur Verfügung:

  • die Behandlung des akuten Schubes
  • die verlaufsbeeinflussende Behandlung (Immunmodulation)
  • die symptomatische Therapie

Schubbehandlung bei MS

Die Behandlung des akuten MS-Schubes erfolgt mit Kortisonpräparaten (Steroiden), üblicherweise als Infusion. Dies ist ambulant möglich. Die Symptome bilden sich dadurch schneller und vollständiger zurück. Falls nach Kortisonbehandlung weiter Beschwerden bestehen, kann auch eine Blutwäsche (Plasmapherese) durchgeführt werden. Dazu ist eine Krankenhausaufnahme erforderlich.

Immunmodulation

Noch in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts war die MS eine weitgehend unbehandelbare Erkrankung. Ende der 90er Jahre wurde Betaferon als erstes verlaufsbeeinflussendes Medikament zur MS-Behandlung zugelassen, was einen Durchbruch darstellte. Seitdem hat sich das Portfolio zugelassener MS-Medikamente stetig erweitert, sodass aktuell (Juni 2019) 16 verschiedene Medikamente zur Verfügung stehen.

Es gibt Behandlungen, die selbst injiziert werden müssen (injectables), Medikamente in Tablettenform und Medikamente, die als Infusion gegeben werden müssen.

Grob unterscheidet man zwischen Behandlungen für eher leichte MS-Formen (first line) und Behandlungen für aggressivere Verläufe (second line).

Die Entscheidung, welches Medikament in Frage kommt, ist komplex und hängt von vielen Faktoren wie Schweregrad der MS, Begleiterkrankungen, Lebensumständen, Familienplanung und Unverträglichkeiten ab.

Eine aktuelle Übersicht bietet https://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de

Symptomatische Behandlung

Darunter versteht man die Behandlung von Einschränkungen, die als Folge von MS-Schüben fortbestehen. Dies können Gangstörungen, Spastik, Schmerzen, motorische Einschränkungen, psychische Symptome, abnorme Ermüdbarkeit, Blasenstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen sein. Die Behandlung erfolgt individuell mit Heilmitteln (Krankengymnastik, Ergotherapie oder Logopädie), mit Psychotherapie oder mit Medikamenten.

Weiterführende Informationen

Zur Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose werden Medikamente eingesetzt, die die Anzahl und Schwere der Schübe reduzieren und das Fortschreiten der Behinderung aufhalten sollen. Unterschieden wird zwischen Therapien für einen milden/moderaten und aktiven/hochaktiven Verlauf der schubförmigen Multiplen Sklerose.

Für die milde/moderate Verlaufsform stehen aktuell die folgenden Medikamente zur Verfügung:

Interferone

  • Interferon-beta 1a i.m. (Avonex®),
  • Interferon-beta 1a s.c. (Rebif®)
  • Interferon-beta 1b s.c. (Betaferon® oder Extavia®),
  • Peginterferon-beta 1a s.c (Plegridy ®)

Glatirameracetat (Copaxone® s.c., Clift® s.c.)

Dimethylfumarat (Tecfidera®)

Teriflunomid (Aubagio®)

Azathioprin (zum Beispiel Imurek®), Anwendung nur in Ausnahmefällen beziehungsweise wenn unter Azathioprin bisher ein guter Verlauf besteht)

Immunglobuline, Anwendung nur in der Stillzeit als Einzelfallentscheidung

Für die aktive/hochaktive Verlaufsform stehen aktuell die folgenden Medikamente zur Verfügung:

Fingolimod (Gilenya®)

Cladribin (Mavenclad®)

Ocrelizumab (Ocrevus®)

Natalizumab (Tysabri®)

Alemtuzumab (Lemtrada®) mit Einschränkung

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Wirkprinzipien der Präparate ausgeführt:

Einnahme in Tablettenform:

Interferone

Obwohl der genaue Wirkmechanismus noch nicht vollständig geklärt ist, weisen Studien darauf hin, dass die Wirkung auf zwei Wegen erfolgt: Das Präparat beeinflusst Entzündungszellen, dass sie weniger körpereigenes Gewebe angreifen. Auch werden Entzündungszellen daran gehindert, ins Gehirn einzuwandern.  

Glatirameracetat

Das Präparat beeinflusst die Funktion von Entzündungszellen, sodass diese weniger aktiv sind gegen körpereigenes Gewebe. Außerdem gibt es in experimentellen Studien Hinweise, dass Glatirameracetat eine gewebeschützende Wirkung haben könnte, das heißt, dass Zellen des zentralen Nervensystems besser gegen eine schädigende Entzündung aufgestellt sind.

Dimethylfumarat

Verschiedene Wirkungsweisen konnten in Studien gefunden werden. Unter Behandlung kommt es zu einem Anstieg immunmodulierender und regulatorischer Zellen des weißen Blutbildes. Die Anzahl der weißen Blutzellen, die Entzündung unterstützen und Gewebe schädigen, wird vermindert.

Im Weiteren wird eine gewisse gewebeschützende Wirkung vermutet.

Teriflunomid

Das Präparat bewirkt, dass sich aktivierte weiße Blutkörperchen – auch diejenigen, die die MS mit verursachen – schlechter teilen und vermehren können, da ein hierfür erforderliches Enzym in den Zellen gehemmt wird.

Azathioprin

Azathioprin wird nach Einnahme im Körper in einen aktiven Wirkstoff umgewandelt und führt dazu, dass sich Lymphozyten (eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen) langsamer vermehren. So kann Azathioprin überschießende und schädliche Entzündungsreaktionen unterdrücken.

Fingolimod

Fingolimod ist eine Substanz, die bewirkt, dass bestimmte weiße Blutkörperchen (aktivierte Lymphozyten) in den lymphatischen Organen wie den Lymphknoten zurückgehalten werden und damit nicht in das Gehirn und Rückenmark einwandern können.

Cladribin

Cladribin gehört zur Gruppe der immununterdrückenden Medikamente (selektive Immunsuppressiva). Es greift in den biologischen Stoffwechsel der Immunzellen ein und vermindert so insbesondere eine bestimmte Form der weißen Blutkörperchen, die Lymphozyten. Dadurch kann die Entzündungsreaktionen der MS unterdrückt werden.

Monoklonale Antikörper in der Darreichungsform als Infusion über die Vene:

Natalizumab

Natalizumab, ein sogenannter monoklonaler Antikörper, blockiert ein bestimmtes Molekül auf der Zelloberfläche von weißen Blutkörperchen. Damit hindert es Zellen des Immunsystems daran, ins Gehirn und ins Rückenmark einzudringen und dort Entzündungen zu verursachen.

Ocrelizumab

Ocrelizumab ist monoklonaler Antikörper, der weitgehend aus menschlichen Proteinen besteht. Er bewirkt, dass bestimmte B-Lymphozyten (eine Untergruppe weißer Blutzellen) zerstört werden. Ihnen wird eine wichtige Rolle bei der Entstehung der autoimmunen Entzündungsaktivität zugeschrieben. Wenn diese vermittelnden Zellen nicht mehr vorhanden sind, können Entzündungsreaktionen gegen körpereigenes Gewebe vermindert werden.  

Alemtuzumab

Alemtuzumab ist ein monoklonaler Antikörper mit langandauernden immununterdrückenden Eigenschaften.

Das Medikament führt dazu, dass Lymphozyten mit einem bestimmten Oberflächenmarker umgehend aus dem Immunsystem entfernt werden, sodass es praktisch zu einem Wiederaufbau des Immunsystems kommt. Ein Teil dieser Zellen (vor allem B-Lymphozyten) erholt sich innerhalb von Monaten, ein anderer Anteil (vor allem T-Lymphozyten) ist über Jahre nicht mehr nachweisbar.

Aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen und Todesfälle ist das Medikament in den Hintergrund getreten, die Prüfung über die Europäische Arzneimittelkommission (EMA) erfolgt zurzeit.

Immunsuppressiva

In Ausnahmefällen können weiterhin folgende immunsuppressive Therapien zur Anwendung kommen:

  • Mitoxantron
  • Cyclophosphamid
  • Methotrexat

Dies sind Medikamente, die ursprünglich für die Krebstherapie und Transplantationsmedizin entwickelt wurden. Sie unterdrücken das Immunsystem und werden nur noch selten bei hochaktiver MS-Erkrankung eingesetzt, wenn andere Präparate nicht (mehr) in Frage kommen, zum Teil auch bei einem sekundär chronisch- progredientem Verlauf. Durch eine relativ breite, unspezifische Unterdrückung des Immunsystems wird auch die autoimmune Krankheitsaktivität im Rahmen der MS vermindert.

Bei der progredienten Verlaufsform der MS spielen hauptsächlich neurodegenerative Prozesse eine Rolle. Dabei kommt es zu einem Untergang von Nervenzellen und in der Folge zu einer Verringerung des Hirnvolumens. Medikamente, die für die schubförmige MS angewendet werden und hauptsächlich die Entzündungsprozesse der Erkrankung eindämmen, sind bei der progredienten MS häufig nicht wirksam und können als Leistung der Krankenkassen nicht verordnet werden.

Bei der progredienten Verlaufsform wird unterschieden zwischen der primär chronisch-progredienten MS und der sekundär chronisch-progredienten MS, die sich aus der schubförmigen MS entwickelt.

Zur Behandlung der primär chronisch-progredienten Verlaufsform in der frühen Phase steht mit Ocrelizumab (Ocrevus®) erstmalig ein Medikament zur Verfügung. Diese Antikörper-Therapie führt dazu, dass bestimmte weiße Blutzellen (B-Lymphozyten) aus dem Immunsystem entfernt werden. Ihnen wird eine Schlüsselrolle zugeschrieben bei der Vermittlung der autoimmun bedingten Entzündung. In klinischen Studien konnte belegt werden, dass das Fortschreiten der chronisch progredienten Multiplen Sklerose durch die Behandlung verzögert wird. Ocrelizumab wirkt wahrscheinlich aber nur bei einem Teil der Betroffenen mit primär chronisch-progredienter Multipler Sklerose (Alter unter 45, entzündliche Aktivität im MRT).

Bei sekundär chronisch-progredienter Multipler Sklerose können auch Interferone (Interferon-beta 1a und 1b subkutan) eingesetzt werden, wenn weiterhin Schübe auftreten.

Beim sekundär chronisch-progredienten Verlauf ohne Schübe gibt es als Therapieoption eine Infusionsbehandlung mit Mitoxantron. Es kann nur unter speziellen Überwachungsmaßnahmen (Blutuntersuchungen, Herzultraschall etc.) eingesetzt werden. Auch ist die Dosis, die verabreicht werden kann, und somit die Behandlungsdauer begrenzt.

Für eine große Anzahl MS-Betroffener sind die Therapieformen der Schulmedizin alleine nicht ausreichend und das Interesse an alternativen Therapiemöglichkeiten ist groß. Viele wenden Therapien aus dem Bereich der Komplementärmedizin an. Diese versteht sich als Ergänzung zur Schulmedizin, nicht als Alternative dazu. Leider gibt es nur für sehr wenige komplementärmedizinische Methoden den wissenschaftlichen Nachweis, dass sie auf den Verlauf der MS Einfluss nehmen können.

Zur Behandlung von einzelnen Symptomen bei Multipler Sklerose, wie zum Beispiel Bewegungs- und Gleichgewichtseinschränkungen, Schmerzen oder das chronische Erschöpfungs-Syndrom, gibt es zunehmend wissenschaftliche Belege für eine positive Auswirkung komplementärmedizinischer Maßnahmen, insbesondere auf die Lebensqualität.

Es besteht weiterer Bedarf an detaillierten wissenschaftlichen Untersuchungen über die Wirksamkeit komplementärmedizinischer Methoden.

Für gesunde wie auch kranke Menschen gilt die Empfehlung, sich gesund zu ernähren.

Besonders für Menschen mit schweren Erkrankungen, so auch für MS-Betroffene, gibt es unzählige Ernährungsempfehlungen und propagierte Diäten. Wenn diese mit Heilungsversprechen verbunden sind, ist Skepsis geboten. Wichtiger Grundsatz bleibt: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung. Sie fördert das allgemeine Wohlbefinden und unterstützt eine gesunde Verdauung. Letzteres ist besonders bei Bewegungseinschränkung wichtig.

Erwiesen ist, dass bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen bestimmte diätetische Maßnahmen Entzündungsprozessen vorbeugen oder diese abschwächen können. Man geht davon aus, dass diese Erkenntnisse auch für MS gelten. Fetthaltige tierische Produkte, vor allem verarbeitetes Fleisch und Innereien, enthalten Arachidonsäure, eine Omega-6-Fettsäure, die entzündungsfördernd wirkt. Diese sollte nur wenig verzehrt werden und durch andere ungesättigte (Omega 3-Fettsäuren) ersetzt werden. Pflanzliche Omega-6-Fettsäuren, wie sie z. B. in Rapsöl enthalten sind, gelten hingegen auch als gesundheitsfördernd.

Praktische Tipps für den Alltag

Für eine ausgewogene Ernährung, bei der entzündungsfördernde Fette vermieden werden, genügen einfache Regeln:

  • Insgesamt wenig tierisches Fett zu sich nehmen, dafür pflanzliche Fette aus Ölen, Nüssen, Avocado bevorzugen
  • Nur zweimal Fleisch pro Woche essen, am besten Geflügel
  • Fünf Portionen Gemüse und Obst pro Tag (am besten so bunt wie möglich, kohlenhydratarmes Obst wie Beerenfrüchte bevorzugen)
  • Zweimal Fisch pro Woche (vor allem fetten Seefisch)
  • Günstige Öle verwenden: Olivenöl, Rapsöl, Leinöl (besonders hoher Anteil an Omega-3-Fettsäuren), Walnussöl.
  • Folgende Öle meiden: Sonnenblumen-, Maiskeim-, Distel- und Traubenkernöl, auch Margarine aus diesen Ölen
  • Ausreichend trinken (2 - 2,5 Liter pro Tag)

Viele industriell gefertigte Backwaren (Teig, Aufbackbrote etc.) enthalten so genannte versteckte tierische Fette, die man besser meidet. Fertigprodukte enthalten zudem meist zu viel Salz.

Rauchen

Es ist erwiesen, dass das Rauchen neben anderen gesundheitsschädlichen Wirkungen auch den Verlauf der MS ungünstig beeinflusst.

Bewegung und Sport werden für Patienten mit Multipler Sklerose sehr empfohlen. Neben Ausdauersportarten, die nach aktuellen Studien den Verlauf der MS günstig beeinflussen, wirkt sich sportliche Aktivität positiv aus auf viele Symptome der MS wie Fatigue, Spastik, Koordinationsstörungen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.

Neben einer Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der körperlichen Fitness trägt Sport zum Aufbau sozialer Kontakte sowie zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens, der Lebensqualität und der Erschöpfung bei. Einem möglichen durch die MS bedingten Abbau der Muskelmasse und Muskelkraft wird entgegengewirkt.

Die Sportart kann nach Vorliebe und angepasst an eine mögliche Funktionseinschränkung gewählt werden. Das Training sollte überwiegend im moderaten Leistungsbereich ausgeübt werden mit Einhaltung von individuellen Pausen.

Weiterführende Informationen

MS Wissen. Ein Service der DMSG.
Symptomatische Therapie bei Multiple Sklerose

DGN-Patientenleitlinie
Leitlinie Multiple Sklerose für Patientinnen und Patienten

DMSG-Broschüre
Symptomatische Therapie bei MS (2015)

DMSG-Broschüre
Alternative und komplementäre Therapien der Multiplen Sklerose (2022)

DMSG-Patienteninformation
Patientenhandbuch Interferon-beta

Die Fachinformationen auf dieser Seite wurden zusammengetragen vom Ärztlichen Beirat der DMSG LV Berlin e. V. 

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